Podiumsdiskussion Heeresgeschichtlichen Museum

„Es ist wieder zum Fürchten für die jüdische Gemeinde“ Podiumsdiskussion im Heeresgeschichtlichen Museum

Der Club Tirol, ein politisch unabhängiges Business-Netzwerk für in Wien und Umgebung lebende Tirolerinnen und Tiroler, hat mich zu einer Podiumsdiskussion ins Heeresgeschichtliche Museum Wien eingeladen.

Gemeinsam mit  Johannan Edelman, von der Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde, Desinfo-Experte Dietmar Pichler und der Organisator des Abends, Club Tirol-Vorstandsmitglied Brigadier Stefan Kirchebner diskutierten wir das Thema Antisemitismus in Österreich.

Gleich zu Beginn durfte ich die Jahrhunderte zurückreichende Geschichte des Antisemitismus in Österreich zusammenfassen. Wir Juden wurden immer wieder verfolgt, mitunter regelrecht „ausgelöscht“. Wie beim Wiener Pogrom 1421, bei dem die  gesamte Gemeinde vertrieben oder ermordet und die Synagoge am heutigen Judenplatz zerstört wurde. Dass während der Shoa hierzulande weit heftiger gegen Juden vorgegangen wurde als im „Nazi-Kernreich“ Deutschland, mag seine Wurzeln im althergebrachten „katholischen Antisemitismus“ gehabt haben. Erst ab den 1960er Jahren hat die Kirche hier viel verändert. Zuletzt gab es Antisemitismus praktisch „ohne Juden“, denn es „leben ja in ganz Österreich nur noch 15.000 von uns.“

Seit dem 7.Oktober 2023 hat sich die Lage für Jüdinnen und Juden schlagartig verändert wie auch Johannan Edelman bekräftigte. Noch am selben Tag der terroristischen Gräueltaten der Hamas in Israel gab es am Wiener Stephansplatz eine Art Siegesfeier. Die entgegengenommenen Meldungen über antisemitische Vorfälle sind seither, so Edelmann, extrem gestiegen, eine „wahre Flut“. Nicht nur böse Worte fallen, es gibt zahlreiche Aktionen wie der Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof in Wien, oder das Beschmieren von Hauswänden mit Anti-Parolen in ganzen Straßenzügen. Im jüdischen Leben hat sich seither sehr viel verändert. Zuvor hat es nach besonderen Ereignissen im Nahost-Konflikt immer ein kurzes „antisemitisches Aufflackern“ gegeben, das sei nun eher ein Flammenmeer. Aber heute ist es wieder zum Fürchten für die jüdische Gemeinde.“

„Beim Bundesheer wird generell immer die Lage beobachtet und Beurteilungen abgegeben“, so Brigadier Kirchebner, „dass wir jetzt aber in Wien israelische, jüdische Einrichtungen mit Soldaten bewachen müssen, das haben wir nicht am Radar gehabt.“

Für Medienkompetenztrainer Pichler hat der nunmehrige Antisemitismus in Österreich (und anderswo) viele Gesichter, seine Ursachen haben sich verändert: „Wir befinden uns im digitalen Raum in einem Informations-Weltkrieg, internationale Kampagnen, etwa aus dem Iran gesteuert, haben Einfluss auch auf Österreich.“  So stoße man in den Sozialen Medien etwa sehr schnell auf Reels, in denen der Holocaust nicht nur verharmlost wird, sondern im Gegenteil große Bewunderung für die Genozid-Aktion des „Malers Schicklgruber“ ausgesprochen wird. Überhaupt hätten schon lange die vielen durchs Netz geisterten Verschwörungstheorien bewirkt, dass sich Antisemitismus innerhalb neuer Bevölkerungsgruppen verbreite. Es gebe ein wahres Gebräu an dahinterstehenden, unterschiedlichen Akteuren. Von bekannt ganz rechts Stehenden bis weit hinein in das linke Spektrum. Da packen plötzlich antiwestliche, antikapitalistische oder antikoloniale Gruppen in ihre Agenda Angriffe gegen Israel, gegen Juden hinein. Was, ich bei meinem jüngst erfolgten Besuch an der Harvard-Uni in den USA beobachtet habe, zu mehr als seltsamen Parolen wie „Jews back to Poland“ führt.

Die Akteure der antisemitischen Proteste stünden nicht nur Israel, den Jüdinnen und Juden feindlich gegenüber, ergänzte Edelman. Diese betrachten ihren Kampf laut eigenen Aussagen als einen globalen, von postkolonialen Ideologiekonstrukten geprägten Konflikt des „Globalen Südens“ gegen den „weißen, kolonialistischen Westen“ – Unterdrückte gegen Unterdrücker also – in dem Israel bzw. die Juden nur das exponierteste, aber nicht das einzige Ziel sind.

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