Am 26. Februar fand auf der TriBühne Lehen die Präsentation des neuen Buches von Karl-Markus Gauß statt – ein Buch, das aktueller kaum sein könnte. Unter dem Eindruck des Massakers vom 7. Oktober 2023 setzt sich Gauß mit der gesellschaftlichen und politischen Reaktion auf dieses Ereignis auseinander – und vor allem mit dem Wiedererstarken des Antisemitismus in linken und intellektuellen Kreisen.
Als Moderatorin durfte ich durch einen Abend führen, der weniger eine klassische Lesung war, sondern vielmehr ein intensives, anregendes Gespräch über die im Buch verhandelten Themen. Karl-Markus Gauß sprach offen und kritisch über die Entstehung des Bandes, die intellektuellen und historischen Hintergründe sowie seine Beweggründe, dieses Buch gerade jetzt zu veröffentlichen.
Besonderes Interesse beim Publikum fanden Gauß’ Analysen zu einem „schuldreflexiven“ Antisemitismus, wie ihn der Politikwissenschaftler Andrei S. Markovits beschreibt – eine Haltung, die vor allem in Teilen der 68er-Generation ausgeprägt war. Ebenso diskutierten wir über den alarmierenden Trend, Opfer- und Täterrollen umzudeuten, sowie über die Oberflächlichkeit mancher heutiger Debatten, in denen komplexe geopolitische Konflikte mit simplen Parolen abgetan werden.
Das Publikum zeigte großes Interesse und Beteiligung – spürbar war eine Mischung aus Betroffenheit, Neugier und Zustimmung. Die vielen Rückfragen und Gespräche im Anschluss belegen: Dieses Buch trifft einen Nerv. Es beleuchtet nicht nur den aktuellen Zeitgeist, sondern fordert auch zur intellektuellen Redlichkeit auf – ein Appell, der in einer Zeit wachsender Polarisierung wichtiger denn je scheint.
Karl-Markus Gauß hat mit diesem Buch einen klugen, mutigen und scharfsinnigen Beitrag zur aktuellen Debatte vorgelegt. Wer verstehen will, warum nach dem 7. Oktober so viele Deutungsmuster versagt haben – und was das über unsere Zeit verrät –, dem sei die Lektüre dieses Werks wärmstens empfohlen.
